Saisonausklangdissonanzen

Die Mannschaft von Hertha BSC schleppt sich mit letzter Kraft dem Ende der Spielzeit entgegen, nach einer grandiosen Hinrunde ist die Luft raus, die Helden sind müde oder verletzt, die Mannschaftsführung gibt Rätsel auf.
Die Dame scheint es sich auf ihre alten Tage in der Liga gemütlich gemacht zu haben, mitten im Niemandsland der Tabelle wurde das Saisonziel Klassenerhalt mit an Langeweile grenzender Sicherheit erreicht, seitdem sieht es ein bisschen so aus, als spielten sie in einer eigenen Klasse – der Lustlosliga.
Die Hinrunde hatte in fast jedem Spiel, das nicht gewonnen werden konnte, die Verheißung hinterlassen, dass noch was möglich gewesen wäre – mit ein bisschen mehr Glück, Zielstrebigkeit und Konzentration, wovon jeweils ein ganz kleines Stück zu wenig auf den Platz gebracht wurde.
Zu Beginn der Rückrunde kam dann auch noch Pech dazu.

Charakterstudienfinale

Beim einzigen Heimsieg in diesem Jahr hatte man selbst als dienstälterer Herthafan den Braunschweigern einen Daumen gedrückt, zudem sich zum letzten Spieltag noch der andere gesellen wird, die dann zusammen die Schraube machen, damit die Eintracht von der Oker bei den Rabattkickern zu 18,99 noch 3 Punkte für den Relegationsplatz im Abverkauf erstehen kann. Und das nicht weil man sein Herz für die Blaugelben entdeckt hätte, als Underdog der Liga mit einem Zweitligaetat stehen ihnen aber die drei Punkte als Sympathieprämie uneingeschränkt zu.
Mit der Niederlage gegen Augsburg hat Torsten Lieberknecht eigentlich alles richtig gemacht und den Sockel für sein Denkmal an der Hamburger Straße vorbereitet. Bei einem Sieg hätte Mainz vorzeitig das Erreichen der Euro-League feiern können, sodass im letzten Spiel der HSV die wesentlich besseren Chancen gehabt hätte, mit der nötigen Entschlossenheit den Relegationsplatz zurück zu erobern. Nun können die braunschweiger Löwen das Herz in die Hand nehmen und mit der allerletzten Patrone den Bock zum Gärtner und dann zur Strecke bringen, wie es der Gegner im letzten Saisonfinale beim BVB vorgemacht hatte. Den Platz zu verteidigen hätte dagegen leicht zu vollen Hosen, zittrigen Knien und schweren Füßen führen können, mit denen man in Sinsheim leicht eine Torlawine lostreten kann.

Ausverkaufsstrategien

Dass  Clubberer und Dinos den Weg in die 2. Liga antreten müssen, ist unter wühltischmäßigen  bzw. schnäppchentechnischen Aspekten die wesentlich vielversprechendere Option und Herthas kommender Torjäger will sicher nicht nochmal bei einem Zweitligisten spielen – von Per Skjelbred ganz abgesehen.
Çalhanoğlu, Adler, Diekmeier und Jansen wären auch Spieler, mit denen Hertha sich verstärken könnte, wobei Verteitiger der schwächsten Abwehr der Liga zu verpflichten, nur bedingt sinnvoll zu sein scheint.
Vom Club sind vorallem Drmic, Kiyotake und mit Einschränkungen Plattenhardt und Hasebe  interessant.
Weiter stehen Chuopo-Moting, Stocker, Dejagah, Schmid, Ostrzolek, Bellarabi und Contento auf heißen Kohlen in der kalten Gerüchteküche. Da heißt es, die Einkaufswunschliste nochmal genau durchzugehen und das Frischgedruckte ganz gründlich nachzuzählen.
Da sollte in Etwa die Qualität bei sein, die Cheftrainer Jos Luhukay in seinem Restkader so schmerzlich aber dafür um so öffentlicher vermisst hat, eine Vorgehensweise, die ich überaus befremdlich finde.

Zwischen Baum und Borke, Himmel und Hölle

Bessere Bedingungen, eine Mannschaft spielerisch weiter zu entwickeln, waren nach der Vorrunde schwer vorstellbar, um so enttäuschender, dass der Cheftrainer dem Großteil seiner Manschaft bei anhaltender Erfolgslosigkeit die Qualität abspricht, um in der Bundesliga bestehen zu können. Das geht schon sehr in Richtung der selbsterfüllenden Prophezeiungen und endet normaler Weise zwischen allen Stühlen.

Die vorhandenen Qualitäten der einzelnen Spieler aufs Feld zu bringen und aus dem optimalen Zusammenwirken ordentlichen Fußball entstehen zu lassen, ist die primäre Aufgabe des Cheftrainers. Das Leistungsvermögen seiner Kicker nachhaltig in Frage zu stellen, kann nur als grob kontraproduktiv eingeordnet werden und stellt die komplette Mannschaftsführung in Frage, wenn die Verantwortung nicht von den Verantwortlichen übernommen wird.

Es sind oft minimale Kleinig- oder Widrigkeiten, die den Lauf des Balles beeinflussen. Für mich die entscheidende Szene war der geniale Heber von Ronny in der Schlussphase beim Heimspiel gegen den Club, bei dem Ramos orientierungslos im Strafraum rumirrt, der Linienrichter aus einem akuten Anfall medialer Profilierungssucht eine Abseitsposition zusammen fantasiert, in dem er zu erkennen glaubte, dass der Nürnberger Torwart, der sich nicht mal zielstrebig in Richtung Ball bewegt hatte, von Ramos regelwidrig behindert wurde.
Der beste Herthaner war in diesem Spiel wie in der gesamtem Hinrunde Fabian Lustenberger, der der Defensivabteilung als leitender Angestellter den nötigen Zusammenhalt und die Stabilität gegeben hat,  die den Erfolg im ersten Saisonabschnitt ausgemacht hat.
Die Rückrunde kann nur als desaströs bezeichnet werden, so spielen Absteiger!
Lediglich drei Siege, einen überzeugenden, der gegen todessehnsüchtige Hamburger einem Spaziergang glich, einen überaus glücklichen gegen Stuttgard, der glücksmäßig ein bisschen ausgleichend gewirkt hatte, sowie der etwas unmotivierte gegen Braunschweig.

Qualitätsmanagementsysteme

Gegen Hoffenheim musste man dann aufs schmerzlichste zur Kenntnis nehmen, dass auch Ramos die Qualität, die ihm vom Trainer als einzigen bescheinigt wurde und die  den Unterschied ausmachen soll, nicht mehr mit in den Strafraum bringt, sondern ganz im Gegenteil den schönsten Angriffszug der Hertha jäh durchkreuzt hat.
Änis geht links durch und passt mustergültig zu Sami, der lässig einschieben konnte, wenn Adrian, vom Trainer in den festen Glauben versetzt, dass nur er die Qualität hat zu treffen, den Ball durchgelassen hätte. So hat er verhindert, dass die Qualität, die Änis und Sami schon einige Male eindrucksvoll unter Beweis gestellt hatten, zum Tragen kommen konnte.
Sich in unauflösbare Widersprüche zu verwickeln ist häufig der Anfang vom Ende eines Trainerengagements.

Bei Lucien Favre, der beste Übungsleiter, den die Hertha in den letzten Jahrzehnten hatte, war es die Bemerkung, dass für die Aufstellungen nur das Leistungsvermögen der Spieler ausschlaggebend ist, um dann am 2. Spieltag der Saison 08/09, an die man sich gern und mit viel Wehmut erinnert, Kaka für Simunic zu bringen, der dann auch den Patzer produziert hat, der Wichniarek den Ausgleich ermöglichte und der zu allem Überfluss zu seinem zweiten Vertrag in Berlin geführt hatte.
Das war der Beginn des Untergangs, die nachfolgenden Details hinreichend bekannt.

In München hatte der beste Trainer der Welt seine ganze Menschlichkeit eindrucksvoll nachgewiesen und mit der falschen Taktik und Aufstellung seine “Überbayern” auf ein bemitleidenswertes Mittelmaß runter gestutzt. Völlig unvermittelt ins offene Messer zu laufen und das viermal hintereinander hatte schon etwas Tragisches, wenn die Spielidee zur Schnapsidee verkommt und jeder Dorfdepp weiß, dass man in der Situation in erster Linie auf Torsicherung spielen muss, sollte man seinem Namen die Ehre erhalten und es vielleicht mal mit Seppuku (Harakiri für Fortgeschrittene) versuchen.

Der Geschäftsführer Sport und sein Chefcoach stehen vor der ausgesprochen anspruchsvollen Aufgabe, die Mannschaft so weiter zu entwickeln, dass das spielerische Potenzial ausreicht, um nicht in den Abstiegsstrudel hineingezogen zu werden. Es sieht alles so aus, dass Ronny, bei aller spielerischen Klasse wegen mangelnder Einsatzfreude keinen Platz im Team haben wird, ein Mann wie Kiyotake könnte die bessere Lösung sein.
Auf die Qualitäten der Neuverpflichtungen darf man überaus gespannt sein, dass sie alle so einschlagen wie vor Jahresfrist, muss allerdings bezweifelt werden.

Es verspricht aber um einges mehr Spannung als die Rückrunde.


Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 06. Mai 2014 um 15:46 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Allgemein, Helden, Hertha abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

« Ligaalltagsschonkost – Kaderschmiedearbeiten »

1 Kommentar

  1. So wie unsere Hertha sich in den letzten Wochen hat vorführen lassen, da muss man für die nächste Saison schon mit dem Schlimmsten rechnen. Mit Adrian Ramos verlässt die Torgarantie der goldenen Hinrunde den Verein. Und welche großen Schwierigkeiten die Mannschaft bekommt, wenn Ramos nicht da ist oder aber da ist, rumstolpert und nicht trifft, hat man in der gruseligen Rückrunde allzu oft erleiden müssen. Hoffentlich kann von den kolportierten 9,7 Millionen Transfereinnahme recht viel in neue Spieler investiert werden.

    Eintracht Braunschweig hat auch meine Sympathien. Sollte die Truppe von Torsten Lieberknecht am letzten Spieltag doch noch die Relegation erreichen, werde ich ihnen in den Entscheidungsspielen beide Daumen drücken. Ein bisschen Eigennutz schwingt da allerdings auch mit. Denn für Hertha wäre es sicher von Vorteil, wenn 2014/15 mit Braunschweig und Paderborn zwei Teams in der 1. Liga mitmischen, die finanziell klar schwächer ausgestattet sind, als die Berliner.

    Kommentar: Linienrichter – 07. Mai 2014 @ 15:42

Die Kommentarfunktion ist zur Zeit leider deaktiviert.

...WENN NICHT NUR DAS DEO VERSAGT

Hartplatzhelden unterstützen

Seiten

Kategorien

Suchen


RSS-Feeds

Blogroll

Meta

 

© maenne – Powered by WordPress – Design: Vlad (aka Perun)